Offener Brief an die Fraktionen des Dresdener Stadtrates
mit Staunen und Unverständnis haben wir den interfraktionellen Ersetzungsantrag zur Richtlinie Kooperatives Baulandmodell gelesen, welcher am 30. November den Sozialausschuss der Stadt Dresden passiert hat (Wie es dazu kam, könnt ihr in diesen Artikel bei addn.me nachlesen.). Er sieht vor, dass in neuen Bebauungsplänen künftig nicht mehr 30% der geplanten Geschossfläche für mietpreis- und belegungsgebundene Wohnungen zur Verfügung stehen sollen, sondern im Allgemeinen nur noch 15%. Lediglich große Bauvorhaben mit mehr als 12.000 qm Fläche sollen größere Anteile vorsehen. Allerdings auch hier nur den Teil betreffend, der die 12.000 qm überschreitet. Begründet wird diese drastische Absenkung der Sozialbauquote mit der angeblich fehlenden politischen Akzeptanz?! Auf dem Kurznachrichtendienst Twitter ergänzt CDU Stadtrat Marcus Schmidt: „Wir wollen eine tragfähige Lösung, die Planungssicherheit gibt. Deshalb haben CDU, Grüne, SPD, FDP und Linke gemeinsam nach einer Lösung gesucht“. Wir verstehen nicht, wie eine erneute Änderung der Richtlinie nach gerade mal 2 Jahren Planungssicherheit herstellen soll.
Mehr als 3/4 der Dresdner Bevölkerung lebt in Wohnungen zur Miete. Die repräsentativen Bürgerumfragen der Stadt Dresden der vergangenen Jahre haben regelmäßig ergeben, dass die steigenden Mieten und die Sorge vor Verdrängung eine der wichtigsten Sorgen der Teilnehmenden war [Bürgerumfrage 2020 S.39 ff., Sächsische Zeitung 31.10.2020]. In unserer großen Mietenumfrage aus dem Sommer wünschten sich eine überwältigende Mehrheit von über 90% der mehr als 1.000 Einreichungen eine aktivere Rolle der Landeshauptstadt Dresden im Bereich Wohnen. Die Sozialbauquote ist eines der wenigen Instrumente, welches der Stadt Dresden zur Verfügung steht dieser berechtigten Sorge zu begegnen. Die Anzahl der Menschen die Anrecht auf einen Wohnberechtigungsschein hätten, übersteigt das Angebot an Wohnungen mit Miet- und Belegungsbindung schon jetzt und wird zukünftig weiter zunehmen[u.a. Einschätzung Ältestenrat S.4-10]. Die meisten dieser Wohnungen befinden sich in wenigen Stadtteilen. Diese sind laut aktuellem Vorschlag aber gänzlich von der Sozialbauquote befreit. Gerade in Prohlis, Gorbitz und Johannstadt stehen in naher Zukunft viele Bauvorhaben an, die damit keinen preiswerten Wohnraum schaffen werden. Allerdings läuft die Sozialbindung der allermeisten sozialgebundenen Wohnungen 2025 aus, all jene die zur Vonovia gehören. Die Stadt Dresden selbst hat kaum eigene Wohnungen als Alternative. Vor diesem Hintergrund von fehlender politischer Akzeptanz für eine Sozialbauquote von 30% zu sprechen, verkennt die Realität. Wenn in der Begründung von Planungssicherheit gesprochen wird ist hier nur Planungssicherheit für Bauunternehmen gemeint. Mieterinnen werden hingegen wieder und wieder verunsichert von Entscheidungen des Stadtrates, der Regelungen zum Schutz vor zu hohen Mieten zurücknimmt sobald es die Mehrheitsverhältnisse gerade so zulassen.
Überhaupt stellt sich die Frage, warum das Investitionsklima angeheizt werden muss. Es wird nämlich seit Jahren mehr und mehr in Dresden gebaut. Zum Vergleich noch 2013 wurden 800 Wohnungen gebaut und für 1550 Wohnungen Baugenehmigungen erteilt. Im Jahr 2020 waren es jeweils 3000 Wohnungen. Und das obwohl die Bauflächen immer knapper und vor allem immer teurer werden. Dennoch gibt es immer weniger günstige Mietwohnungen und der Mietpreis kennt nur eine Richtung: nach oben. Deshalb ist die zentrale Frage: Wer baut und zu welchem Zweck? Es hilft der Stadt wenig, wenn renditeorientierte Luxusbauten realisiert werden, die anschließend aufgrund der kalkulierten, zu hohen Mieten leer stehen. Eine Entwicklung die wir in Ansätzen in der Dresdner Altstadt in den vergangenen Jahren beobachten können.Viel notwendiger wäre es, potentiell gemeinnützige Bauträger (wie Wohnungsgenossenschaften, das Mietshäusersyndikat oder die WiD) zu stärken. Die neue Bundesregierung will die Wohngemeinnützigkeit in dieser Legislaturperiode wieder einführen.Wenn man an der bestehenden Richtlinie etwas ändern möchte sollten stattdessen 30% der Fläche jedes Bauvorhabens an gemeinnützige Bauträger vergeben werden! Denn im Gegensatz zu einer zeitlich befristeten Belegungsbindung halten gemeinnützige Wohnungsgesellschaften den Mietpreis auf Dauer bezahlbar.
Jenseits der Sachargumente gegen den vorliegenden Antrag, verstehen wir auch die politisch, strategischen Beweggründe nicht. Der bundesweite Trend geht deutlich in Richtung einer Ausweitung des sozialen Wohnungsbaus, die Mittel im Bund dazu sollen aufgestockt werden. In anderen Städten wird die Sozialbauquote erhöht, zum Teil deutlich über das heute in Dresden geltende Maß. In nicht einmal einem halben Jahr wird Dresden eine neue Bürgermeisterin oder einen neuen Bürgermeister wählen. Es ist gut möglich dass sich in diesem Zuge die politischen Mehrheitsverhältnisse ändern werden. Wir vertreten die Interessen der Mieterinnen und Mieter in Dresden, der großen Mehrheit. Wir werden dafür sorgen, dass die Frage nach bezahlbarem Wohnraum eine entscheidende Rolle bei der Wahl spielen wird.
Für eine glaubwürdige Politik im Sinne der Mieterinnen und Mieter fordern wir sie auf, den interfraktionellen Antrag zu überarbeiten!
Dresdner Bündnis Mietenwahnsinn stoppen!
Mieterverein Dresden und Umgebung e.V.
DGB-Bezirk Sachsen
2 Gedanken zu „Nein zur Senkung der Sozialbauquote!“