Bereits im Juni startete zum bundesweiten Aktionstag „Mietenstopp“ die Umfrage „Dresden stellt die Mietenfrage“. Zusammen mit dem DGB Sachsen und dem Mieterverein sammelten wir als Aktionsbündnis „Mietenwahnsinn stoppen“ in Dresden 3 Monate lang Stimmen zu den Themen Mietendeckel, Enteignung großer Wohnungsunternehmen und der Rolle der Stadtpolitik.
Die Ergebnisse der Umfrage wurden am 6. September bei einem Wahlforum mit Kandidierenden der Bundestagswahl in der Motorenhalle in Dresden Friedrichstadt präsentiert.
Gleich zu Beginn dieser Veranstaltung wurde das Ergebnis der Umfrage „Dresden stellt die Mietenfrage“ präsentiert. Über 1.000 Teilnehmer*innen aus allen Postleitzahlengebieten äußerten hohe Zustimmung zu Enteignung, Mietendeckel und einer aktiveren Rolle der Kommune auf dem Dresdner Mietenmarkt. Beispielsweise stimmten über 90% der Befragten für die Enteignung großer Wohnungsunternehmen wie der Vonovia SE.
Im Anschluss an die Präsentation der Ergebnisse wurden die Direktkandidierenden in 3 Fragerunden zu ihren wohnpolitischen Positionen befragt. Auf die Frage, wo die Kandidierenden selbst wohnen, antworteten alle übereinstimmend „zur Miete“. Die Kandidierende Anne Herpertz (Piraten) berichtete dabei von ihrer eigenen, verzweifelten Suche nach bezahlbarem Wohnraum in Dresden, von Couch-Surfing und monatelanger Wohnungslosigkeit.
Auf die Frage, welche Rezepte die Handlungsfähigkeit der Stadt Dresden bzw. der Kommunen im Allgemeinen wieder erhöhen könnte, zeigten sich schnell die Differenzen zwischen den Parteien. Kassem Taher Saleh (Bündnis 90/ Die Grünen) sprach sich für ein Grundrecht auf Wohnen aus und für eine Stärkung der kommunalen Rolle, insbesondere durch die Stärkung des Vorkaufsrechts der Kommune bei Eigentumswechsel. Er widersprach der Enteignung als geeignetem Mittel und forderte stattdessen eine strenge Anwendung des Kartellrechts auf große Immobilienkonzerne. Darüber hinaus sprach er sich, wie fast alle Kandiderenden, für den Neubau bezahlbarer Wohnungen aus, allerdings verwies er wiederholt auf die Probleme durch zunehmende Versiegelung und hohe Emmissionen beim Bau. Der gelernte Bauingenieur warb stattdessen für energieeffiziente und nachhaltige Bauweisen.
Anne Herpertz (Piraten) sagte: „Wohnen darf nicht dem Markt überlassen werden. Der Markt hat versagt“. Sie forderte eine stärkere finanzielle Unterstützung der Kommunen durch den Bund. Als weitere Maßnahmen empfiehl sie den Kommunen, insbesondere Dresden, die stärkere Anwendung des Instruments der Milieuschutzsatzung. Diese biete u.a. die Möglichkeit des Rückkaufs von Immobilien oder die Verhinderung von Luxussanierungen. Außerdem tritt Sie für eine aktivere Liegenschaftspolitik ein und verwies als positives Beispiel auf das kooperative Baulandmodell und die Stadt München als weiterführendes Beispiel der Unternehmensbeteiligung an einer gemeinwohlorientierten Stadtentwicklung.
Der SPD Direktkandidat, Stephan Schumann, forderte ebenfalls eine aktivere staatliche Rolle im Wohnungsmarkt, „da Dresden zur Zeit nicht handlungsfähig sei“. Er lobte die neu gegründete WID als Schritt in die richtige Richtung. Allerdings forderte er hier eine stärke Unterstützung des Bundes bei der Schaffung von Sozialwohnungen in den Kommunen. Das Thema Bauen neuer Sozialwohnungen verband er mit einer Förderung des Ausbaus des öffentlichen Nahverkehrs.
Das Thema Neubau von Wohnungen sieht auch Dr. Markus Reichel (CDU) als das wichtigste Instrument, um den steigenden Mieten durch ein größeres Angebot zu begegnen. Er sah dabei insbesondere die zu hohen Baukosten als Preistreiber heutiger Mieten. Im Gegensatz zu allen anderen Kandiderenden lehnt er kommunale Einmischungen in den Wohnungsmarkt ab. Seiner Ansicht nach sei durch den großen Anteil an Genossenschaftswohnungen in Dresden keine weitere Intervention notwendig.
Silvio Lang (Die Linke) konterte hierzu, dass der Markt es nicht regeln wird. „Die derzeitigen Instrumente des Bundes wie die Mietpreisbremse seien wirkungslos“, so der Kandidat. Der viel beschworene Neubau von Sozialwohnungen hat in der letzten Legislaturperiode zu wenig gebracht – unterm Strich gibt es durch das Auslaufen der Bindungsfristen Stand heute effektiv weniger Sozialwohnungen als zuvor. Seine Lösung heißt: „Einmal Sozialwohnung, immer Sozialwohnung.“ Darüberhinaus soll nach den Plänen der Partei die Linke der kürzlich gekippte Berliner Mietendeckel auf Bundesebene eingeführt werden. Zuvor hatte das Bundesverfassungsgericht den Mietendeckel aufgrund mangelnder Zuständigkeit des Landes Berlin kassiert.
Aufgelockert wurde die Diskussion durch eine Kurzfragerunde, bei der die Kandiderenden 7 Fragen jeweils mit ja oder nein beantworten mussten.
Ausgewählte Fragen und Antworten waren:
Zustimmung zum Volksentscheid „Deutsche Wohnen & Co. enteignen“?
- Silvio Lang (Die Linke) Ja
- Stephan Schumann (SPD) Ja
- Dr. Markus Reichel (CDU) Nein
- Kassem Taher Saleh (Bündnis 90/ Die Grünen) Nein
- Anne Herpertz (Piraten) Ja
Milieuschutzgebiete in Dresden ausweiten?
- Silvio Lang (Die Linke) Ja
- Stephan Schumann (SPD) Ja
- Dr. Markus Reichel (CDU) Ja
- Kassem Taher Saleh (Bündnis 90/ Die Grünen) Ja
- Anne Herpertz (Piraten) Ja
Soll der Bund die finanzielle Ausstattung der Kommunen verbessern, damit sie Wohnungen bzw. Grundstücke zurückkaufen können?
- Silvio Lang (Die Linke) Ja
- Stephan Schumann (SPD) Ja
- Dr. Markus Reichel (CDU) Nein
- Kassem Taher Saleh (Bündnis 90/ Die Grünen) Ja
- Anne Herpertz (Piraten) Ja
Zum Thema Mietenstopp waren sich die Kandidierenden, mit Ausnahme des CDU Kandidaten Dr. Markus Reichel, einig, dass dieser in der ein oder anderen Form zur Entspannung des Wohnungsmarkts notwendig sei.