Vonovia Vernetzung Dresden stellt sich vor

Ihr setzt euch seit Jahren als Vonovia Vernetzung Dresden für die Rechte von Vonovia Mieter:innen in Dresden ein. Was beschäftigt euch am meisten?

Seit der ehemalige kommunale Wohnungsbestand der WOBA Dresden durch den Immobilienkonzern Vonovia SE von der Gagfah 2015 übernommen wurde stellten wir zunehmend Bestrebungen fest, durch Mieterhöhungsverlangen ohne Übereinstimmung mit dem Mietspiegel, durch undurchsichtige Modernisierungsmieterhöhungen und durch Nebenkostenabrechnungen mit nicht erbrachten Nebenkostenleistungen zusätzliche Gewinne zu generieren. Wir beobachten, dass bei uns die Nebenkosten immer mehr steigen.Einwendungen und Widersprüche werden negiert und monate- bis jahrelang nicht bearbeitet.

Vonovia kann keine nachvollziehbaren und prüffähigen Rechnungen zu ihren Dienstleistern vorlegen. Es werden den Mietern Leistungen in Rechnung gestellt, die nicht gemacht wurden (z. B. zu groß angesetzte Flächenmaße bei den Außenanlagen; Leistungen, die über App-Meldungen freigemeldet werden und die nicht stimmen; der Objektbetreuer zeichnet unwahre Leistungen frei (z.B. Kontrolle der Wasser- und Abwasserleitungen, die er gar nicht einsehen kann und kontrolliert hat, Kontrolle der Sauberkeit von Allgemeinräumen, Müllplätzen,Bodeneinläufen, Fußabtritte obwohl diese seit Monaten bzw. Jahren gar nicht gereinigt wurden, …) oder die es gar nicht gibt (nicht vorhandene Lüftungsanlage, ….); vorgelegte Rechnungen zu den Nebenkostenpositionen sind rechnerisch nicht stimmig,Leistungen über Schneeberäumungen an Tagen ohne Schneefall, Abrechnung der Reinigung von nicht vorhandenen Gemeinschaftsräumen usw.

Worin seht ihr das größte Problem bei Vonovia?

Als börsennotierter Immobilienkonzern ist die Vonovia SE zur Gewinnmaximierung gezwungen. Der Konzern hat durch eine Verflechtung mit hunderten Tochterunternehmen (wie z.B. Wohnumfeld, Gebäudereinigung, Immobilienservice (Hausmeister), Modernisierung, Messdienstleistungen u.weitere) die Strategie „value add“ mit kundenorientierten Dienstleistungen geschaffen, womit zusätzliche erhebliche Gewinne über die zweite Miete (Nebenkosten) generiert werden.

Die Lügen, das Abstreiten von nachgewiesenen Fehlern, die Pressesprecher teilen immer wieder mit, dass es sich um Einzelfälle handelt und diese selbstverständlich berichtigt wurden. Es sind keine Gespräche mit den Verantwortlichen der Vonovia möglich. Gespräche finden nicht statt und die Geschäftsräume dürfen nicht betreten werden (auch bereits vor Corona).

Die sich jedes Jahr wiederholenden falschen Zahlen und Positionen in den BK-Abrechnungen.

Das vehemente Bestreiten von Fehlern bei den Abrechnungen, in den schriftlichen Erwiderungen und den Statements der Pressesprecher. Erst in gerichtlichen Klageverfahren durch vereinzelte Mieter werden (nur) für diese die Abrechnungen berichtigt. Meist vermeidet/versucht die Vonovia durch gerichtliche Vergleichsangebote eine Verurteilung zu umgehen.

Was sind eure gemeinsamen Erfolge der letzten Jahre?

Wir haben einige Leute wachrütteln können, um gegen Vonovia vorzugehen. Leider sind es immer noch viel zu wenige. Viele kommen aus ihrer Komfortzone nicht heraus. Dabei sind auch sehr viele Leute dabei, denen es einfach zu viel ist, sich mit den Zahlen zu beschäftigen. Viele sind der Meinung, das es schon seine Richtigkeit haben wird, wenn beispielsweise Guthaben aus den Nebenkostenvorauszahlungen entstehen. Aber Vonovia erhöht immer wieder unrechtmäßig diese Vorauszahlungen. Aber immer mehr Mieter suchen den Erfahrungsaustausch und unterstützende Hilfestellung.

Mieter in Dresden und anderen Vonovia-Standorten in Deutschland haben Urteile erstritten bei denen jeweils Beträge im oberen Hunderterbereich zurückgezahlt werden mussten.

Wir haben Anschluss zu einem deutschlandweiten Netzwerk.

Was habt ihr euch für 2022 vorgenommen?

Wiederbelebung unseres durch die Pandemie zum Erliegen gekommenen Gedanken- und Erfahrungsaustausches

Aktivierung von gemeinsamen Aktionen auf kommunaler- und nationaler Ebene.

Was würde euch als Mieter:innen helfen?

Wenn die Politik endlich darauf reagiert, wie hier mit den Mietern umgegangen wird und wie Vermieter übervorteilt werden.

Wenn beschlossen wird, dass Miete kein Gewinn gemacht werden darf (siehe Enteignungsbestreben in Berlin).

Was können Mieter:innen machen, wenn sie ebenfalls mit undurchsichtigen Betriebskostenabrechnungen konfrontiert sind?

Sich mit anderen Mietern im Haus austauschen, zusammenschließen und gemeinsam reagieren

Innerhalb eines Jahres in Widerspruch zu den BKA gehen und alle fragwürdigen Positionen benennen und Unterlageneinsicht fordern

Die Arbeiten der Dienstleister am/im Haus dokumentieren (z.B. Mietertagebuch führen, auch online)

Bei falschen Meldungen über die Vonovia-App sofort widersprechen, wenn dies nicht der Wahrheit entspricht (so soll unsere Außenfläche gereinigt worden sein, obwohl nur das Winterstreugut beseitigt wurde und über die App kam die Meldung, dass zusätzlich auch Gehölzpflege gemacht wurde ?)

Wie können sich andere Vonovia Mieter:innen an euch wenden?

Über unsere Netzwerkadresse netzwerk.vonovia-mieter.dresden@freenet.de

Per Email-Verteiler werden in unregelmäßigen Abständen Informationen zu Urteilen im Mietrecht und Aktionen informiert

Carsten – Milieuschutz für Dresden Friedrichstadt

Was macht für dich das Leben und Wohnen in der Friedrichstadt aus?

Zentral gelegen und trotzdem etwas ab vom Trubel gibt es in der
Friedrichstadt nicht das große Partyleben – aber eine schöne
Stadtteilkultur mit Eckkneipe, Späti, dank Krankenhaus und Nähe zum
Ostragehege viel Grün und eine bunte Mischung an Bewohner:innen. Wer
wissen will, was die Friedrichstadt ist, komme im Herbst zum
Friedrichstadtfest.

Worin siehst du aktuell das Stadtteilleben am meisten in Gefahr?

Die Innenstadtnähe ist das große Problem der Friedrichstadt. Lange Zeit
als armer Stadtteil vergessen und auch verschrien, scheinen Investoren
seit ein paar Jahren bemerkt zu haben, dass die Friedrichstadt fast um
die Ecke zur Altstadt liegt. Die Folge sind Investitionen in
hochpreisigen Wohnungsbau und Hotels.

Das wird schon in Kürze einen hohen Druck auf den Mietspiegel
verursachen und für nicht wenige Mieter:innen des Stadtteils zu höheren
Mieten oder zu Verdrängung führen.

Wie hat sich der Stadtteil in den letzten Jahren verändert?

Einerseits ist schon länger spürbar, dass der Stadtteil attraktiver
wurde. Mehr jüngere Menschen und Familien sind in den letzten Jahren in
den Stadtteil gezogen, natürlich vor allem auch in die neuen Quartiere
am Bramschgelände. Die Straßen sind stärker belebt als früher und es
gibt neue soziale Treffpunkte. Der größte Teil des Neubaus an
Adlergasse und Seminarstraße der letzten zwei Jahre ist erst kürzlich
bezogen worden. Wie das den Stadtteil verändert ist noch offen.

Was versprichst du dir von der Einführung eines Milieuschutzgebietes?

Dresden hat im Vergleich zu manchen anderen Großstädten das Glück,
einige zentrumsnahe Quartiere zu haben, die eine relativ heterogene
Sozialstruktur haben. Das ist der spezifischen Entwicklung nach 45
geschuldet, als in der sozialistischen Stadt auch Viertel wie in der
Johannstadt und östlich der Altstadt geschaffen wurden.

Ohne politische Steuerung, z.B. über Milieuschutzgebiete, wird der
Druck auf die Mieten in den nächsten Jahren massiv zunehmen und die
weniger wohlhabenden Menschen werden aus diesen Quartieren verdrängt
werden. Das betrifft die Friedrichstadt vielleicht noch stärker als die
Johannstadt, weil wir wenig genossenschaftlichen Wohnungsbau in der
Friedrichstadt haben und die Preise daher noch stärker unter Druck
stehen.

Zentralwerk Kultur- und Wohngenossenschaft Dresden – (Wohn-)Genossenschaft als Alternative?

1. Wie seid Ihr darauf gekommen, das Zentralwerk als Genossenschaft zu übernehmen und somit dem meist profitorientierten Immobilienmarkt zu entziehen?

Historisch gesehen handelt eine Genossenschaft nach solidarischen und egalitären Prinzipien. Deshalb war das die uns am logischsten erscheinende Rechtsform. In unserem Fall bedeutet das konkret zum Beispiel: Wirtschaftlich stärkere Mitglieder haben mehr Startkapital beisgesteuert, aber alle haben das gleiche Mitspracherecht. Alle Genossen entscheiden gemeinsam über die Geschicke des Projekts. Eine Genossenschaft  muss außerdem  Mitglied eines Genossenschaftsverbandes sein, der ihre Wirtschaftlichkeit regelmäßg prüft. Das macht eine Insolvenz unwahrscheinlicher als bei einer GmbH.

Viele Studien legen nahe, dass eine bunte Durchmischung in einem Viertel zur Lebensqualität der Bewohner:innen beiträgt. Die Eigentumsform der Genossenschaft kann hier als Alternative zu einem Rückkauf von Immobilien durch die Stadt oder dem Verkauf an private Eigentümer:innen (von großen Immobilienspekulant:innen bis hin zu kleineren Privateigentümer:innen) gesehen werden.

Was sind Eure Gedanken dazu?

Auch eine (Wohn-)Genossenschaft ist juristisch gesehen ein privater Eigentümer und nicht zwingend gemeinwohlorientiert – sie kann es aber sein, wenn das in der Satzung so festgeschrieben ist. Insofern ist sie sicher eher als Akteur einer auch sozial gesunden Stadtentwicklung geeignet als eine der üblichen Kapitalgesellschaften. In unserem Fall ist die Gemeinwohlorientierung durch die Zusammenarbeit mit der Stiftung TRIAS in der Satzung festgeschrieben. Die Stiftung ist Eigentümer von Grund und Boden, auf dem das Zentralwerk steht, und sie verfolgt das Ziel, Spekulation im Umgang mit  Grundbesitz zu vermeiden. Die Rechtsform der Genossenschaft  ist vielleicht nicht so entscheidend – wie das Mietshäusersyndikat zeigt. Wichtiger sind sicher demokratische Strukturen und ein Verzicht auf Gewinnorientierung. Auf der Minus-Seite steht: Eine Genossenschaft macht viel Arbeit, das fällt vor allem dann ins Gewicht, wenn diese vorwiegend ehrenamtlich erbracht wird.

Anstatt eines Vorkaufsrechts der Stadt wäre auch eine Art Vorkaufsrecht durch kulturelle Akteur:innen innerhalb eines Viertels denkbar – z.B. in Form einer Genossenschaft.

Was sind Eure Gedanken dazu?

Das fänden wir natürlich super. Dazu braucht es aber erst mal entsprechende gesetzliche Regelungen. Und in denen müsste wohl auch festgeschrieben sein, wie dieses Vorkaufsrecht legitimiert wird. Man sollte bedenken: Wir sind hier in Sachsen und etwaige „kulturelle Akteur:innen“ könnten auch aus einer politischen Ecke kommen, die in der Frage wohl nicht mitgedacht wurde 😉

Raum für Kultur im Viertel erhalten – Welche Rolle hat das in Eurer Entscheidung für eine Genossenschaft gespielt?

Eine grundlegende, wie schon der Name unserer Genossenschaft erkennen lässt: Die Kultur steht an erster Stelle. Insofern verstehen wir uns schon als Kondensationskern für eine kulturelle Entwicklung des Viertels. Wir sind uns aber natürlich ebenfalls der Ambivalenz der Sache bewusst, denn kulturelle Entwicklung birgt immer auch die Gefahr eines Gentrifizierungsschubes.

Vom Wohnen und Wollen

Wie wollen wir wohnen?

Wo wollen wir wohnen und wie lange?

Welche Gegenleistung sind wir bereit zu geben, muss es eine Gegenleistung geben?

Mit wem teile ich mir das Essen, mit wem den Raum?

Wem gebe ich Raum, wem nehme ich Raum und wann denke ich nicht über diese zwei Zustände nach?

Wo klingele ich, wenn ich Hilfe brauche?

Wo, wenn ich Kuchen gebacken habe?

Wer wohnt unten links?

Habe ich Kontakt zu Menschen, mit denen ich früher gewohnt habe?

Wie war das Wohngefühl in der billigsten, wie in der teuersten Wohnung?

Habe ich schon mal absichtlich keine Miete gezahlt oder wie denke ich darüber?

Ist mein Verständnis von wohnen universell, warum nicht?

Habe ich jemanden aus der Wohnung geschmissen, wie habe ich jemanden aus der Wohnung geschmissen?

Würde ich mein letztes Geld für Miete bezahlen?

Bespanne ich meine Nachbar:innen, schließe ich selbst meine Vorhänge?

Ist meine Wohnung meine Wohnung oder unsere Wohnung oder einfach nur ein Freiraum in dem Besitzansprüche teilweise erlöschen können?

Ist meine Wohnung ein Schutzraum oder eine Kneipe oder beides und wie wollen wir eigentlich wohnen?

Stauffenbergallee – Wie Eigentümer:innenwechsel zermürben

Schilderung der Ausgangslage

  • Das Areal Stauffenbergallee 29 – 71 umfasst 145 Wohneinheiten, bestehend aus 2- und 3-Raumwohnungen
  • Verteilt auf 22 Häuser, neun davon stehen unter Denkmalschutz
  • Alle Häuser sind unsaniert, z. Teil in desaströsem Zustand, da seit Jahrzehnten keine Instandsetzungen vorgenommen werden
  • Bis 2006 gehörte das Areal der Woba
  • Bis 2014 der Gagfah
  • Im Frühjahr 2020 lief die Sozialcharta aus, welche allerding nur für Mietverhältnisse galt, die vor August 2006 abgeschlossen wurden
  • Sozialcharta war eine Bedingung der Linken, um für den Verkauf an die Gagfah zu stimmen (Gagfah hielt sich in anderen Stadtbereichen nicht an die Vereinbarung, sodass es zu einem Gerichtsprozess mit einer außergerichtlichen Einigung kam – in diesem Zuge wurde die Gültigkeit der Sozialcharta verlängert)
  • 2008/2009 versuchter Verkauf an ULVinvest (Verkauf konnte nicht abgeschlossen werden, sodass die Häuser zurück an die Gagfah gingen)
  • 2014 Verkauf an IZE (Immobilien Zentrum Elbe)
  • Nach einem Jahr (Mai 2015) Weiterverkauf an Project Opp-1 Property III S.a.r.l. (Luxemburg)
  • Februar 2019 Verkauf an die Palasax GmbH
  • es bestand eine gute, solidarische Nachbarschaft
  • Regelmäßige Hoffeste, Zusammenkünfte der Mieter:innen (auch vor Vereinsgründung). Palasax konnte dies teilweise zerstören durch strikte Unterbindung von Veranstaltungen und Lagerfeuern sowie Spielgerät für Kinder in den Grünanlagen
  • Seit Verkauf der Gagfah 2014 kontinuierlicher wachsender Leerstand, da Neubezug/Nachmieter:innen nicht zugelassen werden
  • Seit Palasax Vermietung an Gastarbeiter:innen und somit eine neue Qualität im „Entwohnen“

Wie habt ihr den ständigen Eigentümer:innenwechsel wahrgenommen?

  • 2014 haben wir den Stauffe e.V. gegründet (Verein befindet sich momentan in Auflösung)
  • Versuch des Kaufes des Areals durch die Mieter:innen
  • Bis zum Eigentümer:innenwechsel an die Palasax überwiesen viele Mieter:innen ihre monatliche Miete auf ein Treuhandkonto am Amtsgericht Dresden bis zur jeweiligen Grundbucheintragsänderung durch den neuen Besitzer. Beim Verkauf an die Palasax war das seitens des Amtsgerichtes nicht mehr möglich (Mieter:innen wurden abgewiesen mit der Begründung unser neuer Eigentümer ist ein seriöser Vermieter aus Sachsen!)
  • Die jeweiligen Verkäufe sorgten unter uns Mieter:innen für große Unsicherheit
  • Die Motivation aller Mieter:innen sich aktiv gegen einen Verkauf zu wehren, nahm mit jedem Verkauf ab
  • Auch die Arbeit des Vereins nahm ab, sowie das Interesse der Mieter:innen an einer Öffentlichkeitsarbeit und eines stetigen Austausches
  • Die bauliche Substanz der Häuser sowie der Wohnungen wird zusehens schlechter,
  • Reparaturen werden nur durch Androhungen von rechtlichen Schritten vorgenommen, wenn überhaupt
  • Telefonische Erreichbarkeit ist ein Witz (wenn ja, dann ein bloßes Hinhalten, Aufträge werden nicht ausgeführt)
  • Gefühl der Repression steigt seit Palasax (Parkmöglichkeiten auf dem Hof werden verboten, Lagerfeuer durch Androhung polizeilicher und gerichtlicher Schritte unterbunden)
  • Zerfall wird sichtbar, da auch das Außengelände (Zauneinheiten) nicht repariert werden, ebenso werden tote Tauben nicht beseitigt (Bsp. Mordeinrichtungen an einem Dach im Gelände um vor Bezug durch Tauben zu schützen)

Welche Unterstützung hättet ihr euch von der Stadt/von anderen Akteur:innen gewünscht?

  • Wir hätten uns mehr Unterstützung gewünscht
    • Wir wären gern als Käufer wahrgenommen worden
    • Milieuschutz wurde nie umgesetzt
    • Die Unterstützung bei der Möglichkeit eines Rückkaufes hätten wir gebraucht
  • Seit 2014 gewannen wir den Eindruck für den Wahlkampf missbraucht worden zu sein: zu dieser Zeit gab es mehrere Zusagen verschiedener Dresdner Politiker*innen, die haben aber nur ihre eigenen Ideen angetrieben und uns nur leere Versprechungen gemacht
  • Wir waren bei vielen Stellen der lokalen Politik, wurden aber immer wieder hingehalten und am Ende ist nie etwas bei rumgekommen
  • Ebenso hätten wir uns in der Öffentlichkeit mehr Präsenz unseres Themas gewünscht (unsere Kapazitäten einer eigenen Kampagne waren irgendwann ausgeschöpft)
  • Ein Bündnis, wie das „Mietenwahnsinn stoppen“ – Bündnis fand sich für uns zu spät. Wir selber versuchten ein Bündnis zu initiieren, das scheiterte am Zeitaufwand, sowie den Kapazitäten anderer Dresdner Wohnprojekte
  • Eine Vernetzung in andere sächsische Städte (Bsp. Leipzig) war nicht umsetzbar

Was hat euch in dieser Zeit Kraft gegeben?

  • Idealismus 🙂
  • Wir haben momentan keine Kraft und sehen der Entwicklung nicht positiv entgegen
  • Eigentlich sind wir extrem ernüchtert bis enttäuscht von den „Dresdner“ Verhältnissen
    • Politik interessiert sich nicht für unsere Situation
    • Nachbarinnen zeigen kaum Interesse an einer unbequemen Mieterinnenschaft
    • Immer mehr Menschen ziehen weg, investieren Kraft in andere Wohnformen oder Mietverhältnisse
  • Es herrschen Gerüchte, dass auch die Palasax einen Verkauf anstrebt
    • wer kommt dann?
    • Müssen wir auf Grund der baulichen Substanz unsere Wohnungen räumen?
    • Wie wird eine Sanierung aussehen (werden neue Häuser in die Freiflächen gebaut)?
  • Die Chance einer erneuten Mieter:innenvernetzung für das Areal auf der Stauffenbergallee ist verschwindend gering

Was ist euer Fazit aus dieser Erfahrung im so wichtigen Lebensbereich „Wohnen“?

  • Es braucht eine mietenrechtliche Absicherung
  • Die Stadt Dresden sollte verschiedenene Gesetze verabschieden, welche Investoren in der Stadt in ihren Möglichkeiten und Rechten klar beschneidet
  • Ein breites Bündnis zum Thema Wohnen muss geschaffen werden
  • Das Thema „Wohnen“ muss im Stadtrat präsent werden
  • Der Neubau von Sozialwohnungen ist lobenswert, aber es sollten bestehende Wohnungen erhalten werden (das ist nicht der Fall, wie das Beispiel Stauffenbergallee zeigt)
  • Eine Gentrifizierung der Stadt muss aufgehalten werden

Buchenstr.4 – Modernisierung im Hechtviertel

Wie hast du den Gerichtsprozess erlebt? 

Um zu verstehen, warum es zum Gerichtsprozess kam, gebe ich erstmal eine kleine Chronologie. 

2018 wurde unser Haus verkauft (es war komplett bewohnt und alle Mieter*innen hatten unbefristete Mietverträge). Zwei Jahre später flatterte die Modernisierungsankündigung ins Haus.Klar war, dass an dem Haus was gemacht werden muss. Die Elektrik war u.a. ziemlich runter. Der alten Eigentümerin war Vieles einfach egal. Wir als Gemeinschaft kümmerten uns um Vieles selbst, hatten dadurch aber auch ziemlich viele Freiräume im Haus. (Die ich immer mehr schätze, vor allem jetzt. Mittlerweile wohne ich woanders und ein „falsch“ abgestelltes Fahrrad stellt hier bereits ein erhebliches Problem dar.) 

Jedenfalls hatte die angekündigte Modernisierung nicht so richtig Hand und Fuß, die Elektrik bspw. spielte keine Rolle, vieles wurde nicht mitgedacht – vor allem wir als Bewohner*innen nicht.

Es ist so, zu einer Modernisierungsankündigung wird ein Schreiben geschickt, in welchem die Mieter*innen ihr Einverständnis geben (müssen). Es gibt nicht wirklich eine Wahlmöglichkeit. Allerdings versuchten wir es trotzdem. Setzten wir uns als Haus zusammen, sammelten unsere Einwände, stellten Fragen und machten auch Änderungsvorschläge – das alles einzeln und in Briefform. Manche gingen zum Mieterverein, andere suchten sich Anwält*innen zur Unterstützung. Da wir kein Verein oder Ähnliches waren, mussten alle Einwände von jeder Mietpartei selbst gestellt werden und auch Anwält*innen konnten nicht mehrere Wohnparteien zusammen vertreten. Als Hausgemeinschaft tauschten wir uns regelmäßig aus. Die Antwort auf unsere Schreiben war nicht wirklich eine Antwort, sondern die Androhung, wenn wir nicht unterschrieben, gäbe es rechtliche Konsequenzen. Einige unterschrieben daraufhin, was ich auch nachvollziehen kann – ohne Erfahrung weißt du nicht, was auf dich zukommen könnte – andere wiederum nicht. Die Folge war, dass alle die, welche nicht unterschrieben, vom neuen Eigentümer verklagt wurden. 

Ja und so fand ich mich im Gerichtsprozess wieder. Der erste Prozess lief erstaunlich gut. Die Richterin nahm sich Zeit für die Einwände, die mein Anwalt und ich stellten. Ihr Ansinnen war es, dass wir mit dem Eigentümer zu einer außergerichtlichen Einigung kommen sollten. Nach dem Prozess trafen wir uns mit dem Anwalt der Gegenseite und dem Bauleiter in unserer Wohnung und versuchten über die Modernisierung zu verhandeln. Aber wie sich bereits abzeichnete, war der Eigentümer nicht wirklich daran interessiert, uns in irgendeiner Form miteinzubeziehen. Wir hatten nämlich eine außerordentlich geringe Miete, selbst nach der Modernisierung wäre diese weit unter dem Durchschnittsmietpreis geblieben. Das hätte sich natürlich wirtschaftlich in keinster Weise gelohnt. Der neue Eigentümer ist eine große und bekannte Immobilienfirma – vermutlich werden die Wohnungen zu Eigentumswohnungen umgewandelt. (Aus den u.a. 4-Raum-Wohnungen wurden 1-bis 2-Raum-Wohnungen.)

Es kam zu keiner Einigung – trotz vieler Ideen und Vorschläge. Überraschenderweise gewannen wir den Prozess und unseren Einwänden wurde seitens der Richterin recht gegeben. Der Eigentümer ging jedoch in Berufung. Halbes Jahr später, gleiche Problematik andere Richterin.Der zweite Prozess war kräftezehrend ohne Ende. Auch hier war die neue Richterin an einer außergerichtlichen Einigung interessiert. Gleichzeitig von den Einwänden meines Anwalts und mir nicht wirklich überzeugt. „Wir müssten auch an die Immobilienbesitzer denken, die ja auch etwas verdienen möchten.“ Weitere Anmerkungen in diese Richtung folgten.

Die Situation im Haus hatte sich zusätzlich verändert. Mehr als die Hälfte der Mietparteien waren ausgezogen. Es wurden Abfindungen gezahlt und um die noch wenigen bewohnten Wohnungen wurde kernsaniert. Das zehrte zusätzlich an den eigenen Nerven, ich gebe zu, dass ich das unterschätzt hatte, wie sehr es einen beansprucht auf einer Baustelle zu wohnen, bei der man zusätzlich nichts zu entscheiden hat – viele Informationen blieben auch auf der Strecke, jeder Tag brachte neue Überraschungen mit sich. Gekappte Internetleitungen, Baulärm im Home Office, unangekündigte Sandstrahlarbeiten im Keller – Feinstaub der sich durch die Löcher für die Steigleitungen überall verteilte etc. pp. 

Wie bereits abzusehen kamen wir wieder nicht zu einer Einigung mit der Gegenseite. Das letzte Treffen mit der Richterin des 2. Prozesses war ein absurdes Schauspiel. Als vermeintlich störende Mieterin gab es wenig Chance. Den Prozess der zweiten Instanz verloren wir. Letztendlich bedeutete das, wir mussten die Modernisierung, so wie angekündigt, akzeptieren.

Allerdings ging es auch während des Prozesses nicht mehr nur um die Modernisierung an sich. Auch wurde uns eine Abfindung geboten. Die Richterin meinte, ich solle mich doch über den Betrag freuen. Für die Gesamtsituation hatte sie keine Sensibilität bzw. den sozialpolitischen Weitblick. Eben einfach kein Interesse daran. Das Problem bei den Abfindungen für mich ist, dass dir eine bestimmte Summe geboten wird, für deinen Wohnraum. Aber der Wohnungsmarkt sich dadurch auch nicht verändert. Und natürlich kannst du dir von dem Geld erstmal eine gute Zeit machen bzw. den Umzug bezahlen und für einen kurzen Zeitraum die neuen Mieten, aber überhaupt der Fakt, dass Ablösen gezahlt werden, bringt Hausgemeinschaften auseinander und führt zu Mietsteigerungen. Immobilienbesitzer*innen kaufen sich sozusagen ihr Haus frei, um dann exorbitanten Gewinn durch den freien Wohnraum zu erhalten. Die Mieten steigen prozentual an, da die Menschen, die in den Häusern mit geringer Miete wohnten, jetzt sich auf dem Wohnungsmarkt wiederfinden. Und gezwungen sind hohe Mieten zu zahlen. Überhaupt, dass es „Wohnungsmarkt“ heißt, macht mich schon wütend. Wo wohnen doch ein Grundrecht sein sollte und ich die freie Wahl haben sollte, in welchem Viertel ich leben möchte. 

Traurig an der ganzen Geschichte ist, dass die Modernisierungsankündung ausgereicht hat, dass die neuen Eigentümer ihr Ziel erreicht haben, denn mittlerweile haben sie das Haus für sich. Sie mussten nicht wirklich viel dafür tun, mit der Modernisierungsankündigung wurden Unsicherheiten geschürt, den Mieter*innen wurde bisschen Geld angeboten und Zack – freie Wohnungen. Durch die zunehmenden Bauarbeiten im Haus wurde das Wohnen auch erschwert – irgendwie war es auch wie ein Sog. Dass wir den Prozess verloren, ist zwar nicht besonders motivierend, was ich allerdings anstrengender fand, war die schwierige Kommunikation während der Sanierung mit der Hausverwaltung bzw. dem Bauleiter und diese ganzen kleinen Dinge, die in ihrer Summe einfach nicht mehr aushaltbar waren. Es kamen immer mehr Sachen hinzu. All die Dinge, die man hörte von Horrorszenarien während Sanierungen, fanden auch bei uns statt. Aber man ist so sehr damit beschäftigt, damit klar zu kommen, dass da nicht viel Zeit und vor allem Kraft blieb, sich öffentlich dagegen zu wehren. Das würde ich auf alle Fälle anders machen. 

Welche Unterstützung hättest Du Dir von der Stadt/von anderen Akteur:innen gewünscht?

Rückblickend würde ich es mehr öffentlich machen. An sich waren die Gerichtsprozesse öffentlich, ich war bei allen Prozessen alleine. Damals hatte ich keine Ahnung, was auf mich zukommt. Wenn es um dein zuhause geht, ist das mit erheblichem Druck verbunden. Das dachte ich, schaffe ich besser alleine auszuhalten. Gleichzeitig ist mit einem vollen Gerichtssaal und der Einbindung der Presse und der Öffentlichkeit der Support stärker, weil mehr Anteil genommen werden kann. Das Ziel wäre hierbei natürlich gewesen, dass der letzte Prozess anders verlaufen wäre. Bei dem zweiten Prozess im Sommer habe ich gemerkt, dass bei mir die Luft raus ist. Wären mehr Menschen involviert gewesen, hätten die persönlichen Ressourcen mehr aufgeteilt werden können.

Was ich mir von der Stadt gewünscht hätte? In unserem Fall mit der Buchenstraße, keine Ahnung. Das ist alles komplexer. Natürlich generell mehr kommunales Wohnen. Das Vorkaufsrecht für Bewohner*innen? Das Haus war in privater Hand – Einfluss konnten wir darauf nicht nehmen. Zwar trafen wir auch Überlegungen, es wieder zurück zu kaufen und waren auch im Kontakt mit der WoGe Dresden. In unserem Fall war das zu spät. Dem jetzigen Eigentümer ging es um Rendite. Einen Rückkauf mit Unterstützung der Stadt? Das wäre natürlich ein utopischer Traum gewesen. Auf jeden Fall sollte sie kreative Wohnkonzepte unterstützen, die die Möglichkeit bieten, solche Projekte umzusetzen.

Was hat Dir in dieser Zeit Kraft gegeben? 

Kraft und Aufwind hat mir der eigene Glaube an eine Utopie des Wohnens gegeben. Und auch wenn es alles ziemlich mies gelaufen ist und die letzten Wochen auf der Baustelle in der Buchenstraße richtig herausfordernd waren, versuche ich daran festzuhalten.

Zusätzlich bin ich kurz vor dem 1. Gerichtsprozess zum Bündnis gekommen. Das kollektive Gefühl und der Support der Menschen im Bündnis gaben mir Rückhalt. Ich habe mich mit dem Problem nicht alleine gefühlt. Auch in der WG und als Haus haben wir uns gegenseitig unterstützt, waren aber am Ende auch sehr ausgebrannt. 

Was ist Dein Fazit aus dieser Erfahrung im so wichtigen Lebensbereich des Wohnens? 

Das Wohnen auf der Buchenstraße kam zum Teil meinem eigenen Wunsch und der Vorstellung vom gemeinschaftlichen Wohnen sehr nah. Es ist schon verrückt, dass die Menschen, die die meiste Zeit in den Häusern verbringen, kein Mitbestimmungsrecht haben. Immer mehr wünsche ich mir: „Die Häuser denen, die darin wohnen.“ Jetzt wo die Buchenstraße Vergangenheit ist, schaue ich natürlich in die Zukunft. Ich freue mich über jedes Projekt, was entsteht und Menschen, die sich zusammen Gedanken machen, wie gemeinschaftliches Wohnen realisiert werden kann. Gleichzeitig ist das allerdings auch mit erheblichen Kapazitäten verbunden, welche nicht jeder Mensch aufbringen kann. Wenn Mieter*innen mehr Rechte hätten und mehr Verantwortung gemeinsam übernehmen könnten und vielleicht auch müssten, wäre der gemeinschaftliche Zusammenhalt beim Wohnen gegeben. Die Idee der geringen Miete und des eigenen Einbringens in die Hausgemeinschaft, das als Konzept in Kombination mit kommunalem Wohnen, fände ich eine gute Idee.