Antwort: Offener Brief zum Hochhausleitbild

Das Hochhaus am Pirnaischen Platz

Wir veröffentlichen an dieser Stelle das Antwortschreiben des Baubürgermeisters Herrn Stephan Kühn auf unseren offenen Brief zum Hochhausleitbild Dresden und möchten uns für die ausführliche Antwort und die themenspezifischen Einblicke in die Planungsprozesse aus der Perspektive der Stadt bedanken. Die unterschiedlichen Planungsebenen und Zielvorgaben, die vom Klima- bis zum Denkmalschutz reichen können, machen die Stadtplanung zu einem komplexen und teilweise langwierigen Unterfangen. Wir werden dennoch weiter mit Interesse verfolgen, wie sich die Stadt den Herausforderungen stellt, die sich durch die Verknappung von bezahlbaren Wohnraum, das Auslaufen von Belegungsrechten, dem Verschwinden von Freiflächen und allgemeinen Verdrängungstendenzen ergeben. Wir laden dabei alle diejenigen dazu ein, sich bei Fragen der Stadt- und Regionalentwicklung mit einzubringen, welche die Frage der Gestaltung der Zukunft der Städte und Regionen als gesamtgesellschaftliche Herausforderung verstehen.


Sehr geehrte Damen und Herren des Dresdner Bündnisses „Mietenwahnsinn stoppen!“

Ihren Offenen Brief habe ich zur Kenntnis genommen. In den letzten Jahren seit 2019 erarbeitete die Landeshauptstadt Dresden jenes Hochhausleitbild, das Sie in Ihrem Brief erwähnen. Das Hochhausleitbild ist öffentlich in der Sitzung der Gestaltungskommission Dresden am 29. Januar 2021 vorgestellt worden. Es ist eine konzeptionelle, informelle Planung, die selbst kein Baurecht schafft, dass Hochhäuser abgerissen oder errichtet werden dürfen. Baurecht würde erst, das schlägt die Stadtverwaltung dem Stadtrat als Beschluss vor, im Wege der formellen Planung, einer verbindlichen Bauleitplanung, geschaffen.
Im dritten Absatz Ihres Briefes sprechen Sie von der „Forderung nach einem Rückbau der Wohnhochhäuser in der Johannstadt“. In den Verlautbarungen zum Hochhausleitbild ist in Bezug auf die Johannstadt keine „Forderung nach einem Rückbau“ erhoben, lediglich von der Option einer langfristigen Stadtentwicklung gesprochen worden. Eine „Option“ ist noch kein Baurecht bzw. Freibrief, um abzureißen. Sie beinhaltet einen denkbaren Vorschlag, der schlussfolgernd aus der Auseinandersetzung mit dem Stadt- und Landschaftsraum und dessen historischer Entwicklung aus heutiger Sicht
ausgesprochen wird. In seinem Vortrag während der Sitzung der Gestaltungskommission im Januar 2021 führte Christian Blum, ECKHAUS AG Zürich und mit der Erstellung des Leitbilds von der Stadtverwaltung beauftragt, aus, dass „das Bekenntnis zu Dresden … auch Hochhäuser ein{schließt), diese sind Teil der Kultur und der Geschichte der Stadt“.

Insofern bekennt sich die Landeshauptstadt Dresden zu den Hochhäusern und hohen Gebäuden des Bestands, wie sie mehrheitlich als Wohnhochhäusern bis 1990 im Weichbild der Stadt vorhanden sind. Mithin steht das Thema eines Abrisses intakter Gebäude,das Sie im vierten Absatz Ihres Offenen Briefes ansprechen, nicht. Zudem müsste der Eigentümer der Hochhäuser in der Johannstadt abreißen wollen, was nach unserer Information derzeit nicht absehbar ist.

Zu Ihren Fragen im Einzelnen:

  1. Höhenbeschränkung auf 22 Meter – Der Stadtkörper von Dresden, gelegen in der Elbtalweitung, ist von den Hängen des Elbtals weiträumig einsehbar. Der Blick auf die Silhouette der historischen Türme und Gebäude des Zentrums unmittelbar links und rechts der Elbe ist legendär, wurde seit Jahrhunderten vielfach in Werken der Bildenden Kunst dargestellt. Diese historischen Gebäudeensembles stehen unter Denkmalschutz,sind in der regionalen Planung als „Kulturdenkmalbereich Historisches Dresden“ enthalten, deren Wirkung im Stadt-Landschaftsraum von typischen und bedeutsamen Sichtpunkten durch neue und zusätzliche Hochhäuser nicht verstellt werden sollte. Resultierend aus der baulichen Entwicklung des Stadtkörpers der letzten Jahrzehnte und Jahrhunderte sind Gebäude unter einer Höhe von 22 Metern nicht wirksam in der Silhouette, was zum Zweck des Hochhausleitbilds analysiert wurde. Sobald sich Gebäude im Höhenintervall von 30 bis 38 Metern über Gelände erheben,sind sie als „hohe Häuser“ im Weichbild bemerkbar.
    Oberhalb einer Höhe von 52 Metern würden Gebäude den Bereich jener Türme und Bauwerke der Stadtsilhouette des Kulturdenkmalbereichs Historisches Dresden und der Türme von Kirchen, im Hochhausleitbild bezeichnet als „Stadtakzente“, erreichen, weshalb sie mit diesen in Konkurrenz treten würden. Auf diese Weise würde die zu bewahrende Silhouette, die einen Teil des Dresdner Alleinstellungsmerkmals auch mit touristischer Bedeutung darstellt, abgewertet wer den. Mithin sind die Höhenangaben ein Ergebnis der Analyse des städtebaulichen Bestands. Daher sollten sich „Hochhäuser“ im Dresdner Stadt- und Landschaftsraum im Höhenintervall von 38 bis 52 Meter über Gelände einordnen.
  2. Bedeutung der Gebäudeobergrenze zum Beispiel für Wohngebäude in Prohlis – Die Prohliser Wohnhochhäuser erreichen die Obergrenze des Höhenintervalls für „Hochhäuser“ im Rahmen des Leitbilds. Sie gehen nicht darüber hinaus, was auch für andere Wohnhochhäuser in Dresden zutrifft. Zudem sind Hochhäuser in Bau und Unterhaltung sehr teuer. Beinhaltet ein nicht näher zu charakterisiertes Investment Wohnen im Hochhaus,so dürfte es ein hochpreisiges Wohnen werden, mit dem die Probleme, die Sie ansprechen, nicht zu lösen sind.
  3. Hochhausleitbild in Kraft? – Das Hochhausleitbild ist zwar Ende Januar in der Gestaltungskommission Dresden vorgestellt und von der Kommission mit einer Stellungnahme versehen worden; es hat Jedoch den angestrebten Beschluss des Stadtrats noch nicht erlangt.
  4. Neuorientierung der Dresdner Stadtentwicklung durch das Hochhausleitbild – Mit dem Hochhausleitbild ist keine Änderung von Prioritäten der Stadtentwicklung verbunden. Das Leitbild soll für den Fall, dass ein derzeit nicht näher zu beschreibender Interessent ein Hochhausbauvorhaben an die Stadt Dresden heranträgt, vorliegen. Hochhäuser stellen aufgrund ihrer Massivität und Ballung von Nutzungen in ihrem Inneren nicht nur an das Stadtbild, sondern auch an die Infrastruktur ihres Standorts erhebliche Forderungen. Vor diesem Hintergrund ist die Stadt gut beraten, kann sie auf der Basis u. a. des Hochhausleitbilds und des darin enthaltenen Katalogs zur Prüfung von Hochhausbauvorhaben die Aufgabenstellung für ein städtebauliches und Architekturwettbewerbsverfahren formulieren, dessen Ergebnis Grundlage für die erforderliche verbindliche Bauleitplanung zur Erlangung von Baurecht für das Vorhaben ist. Dass im Rahmen eines solchen Verfahrens die Bürgerinnen und Bürger, auch die ehrenamtlichen Gremien der Stadt einbezogen und beteiligt sind, steht außer Frage.
  5. Einfluss des Hochhausleitbilds auf die Wohnraumversorgung – Das Hochhausleitbild hat keinen Einfluss auf die Versorgung von Wohnraum, da Funktionen und Nutzungen, darunter eine Wohnnutzung, in ihm nicht festgeschrieben werden. Relevant als Grundlage für neue Wohnungen ist zuerst der Flächennutzungsplan der Stadt, der sich als vorbereitende Bauleitplanung über das gesamte Stadtgebiet erstreckt und die sich aus der beabsichtigten städtebaulichen Entwicklung ergebende Art der Bodennutzung- Im Falle Ihrer Frage für Wohnen – In Ihren Grundzügen darstellt. Dresden hat seit Oktober 2020 einen rechtswirksamen Flächennutzungsplan.
  6. Hochhausleitbild grün und klimafreundiich? – Grundlage der Analyse des städtebaulichen und landschaftlichen Dargebots sind u. a. natur- und umweltbezogene Daten, die flächenhaft für das gesamte Stadtgebiet vorliegen und für das Hochhausleitbild ausgewertet wurden. Die Auswertung der flächenhaften Daten auch unter Berücksichtigung des Schutzstatus von Natur und Umwelt, von Kaltluftschneisen, aber auch von Daten der verkehrlichen Infrastruktur, zum Beispiel was das Liniennetz des schienengebundenen Personennahverkehrs anbelangt, führte zur spezifischen Ausprägung des Hochhausleitbilds mit der Ausweisung der „qualifizierten Eignungsgebiete“, wie Sie es aus den öffentlichen Veranstaltungen und Medien kennen.

Zusammenfassend zeigt das Hochhausleitbild Vorschläge für eine städtebauliche Entwicklung in ausgewählten, geeigneten Gebieten auf, resultierend aus einer umfassenden Analyse und Auswertung des landschaftlichen und städtebaulichen Bestands. Dabei stellt eine Errichtung von Hochhäusern nicht immer das Erstrebenswerte dar. Den Billigungsbeschluss des Stadtrats zum Hochhausleitbild vorausgesetzt, ist das Leitbild im Falle von Hochhausbauvorhaben als Grundlage einer verbindlichen Bauleitplanung zur Erlangung von Baurecht heranzuziehen. Die verbindliche Bauleitplanung wiederum ist aus dem schon erwähnten Flächennutzungsplan zu entwickeln. Heranzuziehen ist darüberhinaus auch der Landschaftsplan als ökologischer Fachplan des Flächennutzungsplans, womit gewährleistet wird, dass auch die Belange von Natur, Umwelt und Klimaschutz in die Abwägung der öffentlichen und privaten Belange eingestellt werden. Probleme der Wohnnutzung, die Ihnen auch Herzen liegen, sind mit dem Hochhausleitbild nicht zu lösen. Explodierenden Mieten und verknapptem Wohnraum kommt man mit dem Hochhausleitbild nicht bei. Um dafür einen Ausweg zu eröffnen, müssen andere rechtliche, finanzielle und politische Instrumente genutzt werden, darunter zum Beispiel der langfristig-kontinuierliche Aufbau eines städtischen Bodenfonds und die Errichtung von städtischem Wohnraum durch die „Wohnen in Dresden“ (WiD).

Mit freundlichen Grüßen
Stephan Kühn

Bürgermeister

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