Bauen & Wohnen – Einordnung des Koalitationsvertrags zwischen CDU, SPD & Grüne

Mit Spannung wurde der Koalitionsvertrag zwischen CDU, SPD & Grüne gerade für den Bereich Wohnen und Stadtentwicklung von Mieter*inneninitativen erwartet. Die genaue Analyse zeigt die Stärken & Schwächen auf. Hierzu unser kurzes Pro & Contra.

Der vollständige Koalitionsvertrag ist hier zu finden. (Seite 79-81)

Mit Spannung wurde der Koalitionsvertrag zwischen CDU, SPD & Grüne gerade für den Bereich Wohnen und Stadtentwicklung von Mieter*inneninitativen erwartet. Die letzte Regierung hat noch zahlreiche Maßnahmen wie ein Verbot der Zweckentfremdung, Einführung der Mietpreisbremse, gezielte Vergemeinschaftung oder die Förderung des sozialen Wohnungsbaus verschleppt oder verhindert. Dabei spielt für viele Menschen in Sachsen das Thema Wohnen eine zunehmend große Rolle. In Dresdens letzter Bürgerumfrage (Seite 63) wurden gestiegene Mieten auf Platz 2 der Probleme in der Stadt gewählt. Der aktuelle Vertragsentwurf widmet sich auf 3 von 134 Seiten der Landesentwicklung, dem Bauen und Wohnen und gibt einen ersten Eindruck zur Bedeutung des Themas in der Koalition. Der von der SPD im Wahlkampf vielzitierte „Mietendeckel“ findet sich wörtlich nicht mehr wider. Die genaue Analyse zeigt die Stärken & Schwächen auf. Hierzu unser kurzes Pro & Contra:    


„…DIE EIGENTUMSBILDUNG WOLLEN WIR UNTERSTÜTZEN…“

Seite 80

u.a. durch

  • zinsgünstige Kredite der sächsischen Aufbaubank
  • Baukindergeld
  • Wohneigentum im ländlichen Raum
  • ein noch unklares „Landesprogramm“ „Jung kauft alt“

Pro

  • keine

Contra

  • Die Förderung wird durch erhöhte Grundstücks- und Gebäudepreise durch die Bauträger und Immobiliengesellschaften abgeschöpft und erweitert damit nur sehr begrenzt den Kreis von möglichen Eigentümer*innen.
  • Die Förderung wird auch weiterhin nur einen Bruchteil der Gesamtkosten für ein Grundstück und Gebäude ausmachen, sodass weitere Finanzierungsquellen notwendig sind. 
  • Die aktuell steigenden Mieten und Verdränungsprozesse betreffen verstärkt untere Einkommensgruppen, die unabhängig von einer Förderung, nur schwer Kredite erhalten.
  • Eine steigende Gefahr der weiteren Zersiedlung und Flächenversiegelung gerade durch Einfamilienhäuser.

Ergebnis

Die Förderung des Eigentums stellt tendenziell eine Umverteilung in Richtung Immobilieneigentümer*innen dar und lindert nicht die Wohnungsnot in den Ballungszentren. Die Förderung von Wohneigentumschaffung im ländlichen Raum als Impuls für Menschen aus den urbanen Ballungszentren ins Umland zu ziehen löst unserer Meinung nach keine der im ländlichen Raum wirklich bestehenden Probleme. Im Gegenteil: sie führt zu einer noch stärkeren sozialen Segregation und erhöht den Druck auf die Verkehrsnetze.


MEHR MÖGLICHKEITEN FÜR KOMMUNEN, BEI FEHLENTWICKLUNGEN AUF DEM WOHNUNGSMARKT EINZUGREIFEN!

Seite 80

Zu diesen Möglichkeiten gehören laut Koalitionsvertrag u.a.

  • Mietpreisbremse
  • Kappungsgrenzen
  • Zweckentfremdungsverbote
  • Umnutzungsverbote

Pro

  • Zweckentfremdungsverbote erhöhen den Druck bei Neubauten, den akuell hohen Leerstand zu senken und die Mietpreise in diesem Segment nach unten anzupassen. (Eine Erläuterung zu den hohen Leerständen gibt es hier)
  • Kappungsgrenzen können ein geeignetes Mittel sein, um Bestandsmieter*innen vor überzogenen Mieterhöhungen zu schützen und Wucher-Mieten zu vermeiden.

Contra

  • Die bestehende Mietpreisbremse des Bundes ist kaum geeignet, den Mietanstieg zu bremsen und mittlere- bis untere Einkommensgruppen zu schützen. Die Erhöhungsmöglichkeiten sind weiterhin zu hoch und führen in Verbindung mit der Konstruktion des Mietspiegels zu einer weiteren Spirale der steigenden Preise im Bestand und beim Neubau.
  • Im Wahlkampf wurde durch die SPD noch der „Mietendeckel“ beworben. Nun heißt dieser abgemildert „Kappungsgrenze“ und lässt vermuten, dass diese Kappungsgrenze noch unter den Regulierungen des Berliner Mietendeckels liegen. Trotz der Kappungsgrenze stieg die Miete in Dresden seit Inkrafttreten im Jahr 2015 um 13%. Erst ein wirksames Einfrieren der Mieten auf einen Mietspiegel vom Jahr 2013, rückwirkende Mietsenkungen von Wuchermieter (120% der Mietspiegelmieten) würde einen langfristigen Schutz von Bestandsmieter*innen mit sich bringen.

Wohnungsbau ist unverzichtbar für den Mieterschutz und das beste Mittel gegen ausufernde Mietpreise!

Seite 80

Pro

  • Wohnungsbau ist grundsätzlich wichtig. Ob dies den Mieterschutz stärkt, hängt stark davon ab, wer baut.

Contra

  • Das jahrelange Mantra des „Bauen, Bauen, Bauen“ als Antwort auf den Mietenwahnsinn ist völlig losgelöst von wissenschaftlichen Erkenntnissen. Bis jetzt gibt es hierzu keine Nachweise zur tatsächlichen Verbesserung. Die oftmals als Sickerungseffekt hervorgebrachte Fata Morgana als Begründung findet nicht statt. D.h. durch Neubau freiwerdende günstigere Bestandswohnungen werden auf Grund der fehlenden Begrenzungen bei Neuvermietungen ebenfalls zum Höchstpreis angeboten und die ehemals günstige Wohnung verschwindet. 
  • Einer der Hauptgründe für die Untätigkeit im Bereich Wohnen war eben dieses Mantra „Bauen, Bauen, Bauen“. Es wurde darauf vertraut, dass sich das Problem von allein löst und auf weiterführende Instrumente verzichtet. 
  • Einer der Hauptgründe für momentan gestiegene Kosten für Neubau sind die aufgeheizten Bodenpreise. Mehrere Bewerber*innen die in Konkurrenz um das Bauland stehen befeuern diese weiter und treiben damit auch die Mieten hoch.

Unser Ziel ist es, mittelfristig einen deutlich höheren stabilen Bestand von Sozialwohnungen zu erreichen!

Seite 80

u.a. durch

  • Unterstützung kopperativer, genossenschaftlicher und gemeinwohlorientierter Modelle
  • vollständige Abrufung der Bundesmittel für die soziale Wohnraumförderung zzgl. einer Kofinanzierung mit Landesmitteln.

Pro

  • unterstützenswertes Ziel
  • Aktuell besitzt die Stadt Dresden Belegungsrechte für ca. 10.200 Wohnungen. Aktuell wird geschätzt, dass ca. 46.000 Sozialwohnungen   allein in Dresden fehlen. Dabei sind noch nicht die auslaufenden Mietpreisbindungen bei den VONOVIA Wohnungen mit eingerechnet, sowie die weiteren ca. 46.000 fehlenden Sozialwohnungen in Leipzig. 
  • Die Überarbeitung der bisherigen Wohnraumförderrichtlinie ist zeitlich bis zum 30.06.2020 festgelegt 

Contra

  • Die Bundesmittel für den sozialen Wohnungsbau betragen für Sachsen in 2019 142 Mio. EUR. Selbst bei einer Ko-Finanzierung mit Landesmitteln in einem 50-50 Verhältnis stehen damit nur 284 Mio. EUR zur Verfügung. Umgerechnet in Wohnungen könnten dadurch jährlich ca. 7.000 Sozialwohnungen in ganz Sachsen mit der Förderung gebaut werden.  
  • Die Wohnraumförderung von Sozialwohnungen besteht in Form eines Zuschusses und einer Verpflichtung von aktuell 15 Jahren die Wohnungen zu einer bestimmten Miete bereit zu stellen. Nach Auslaufen der Belegungszeiten fallen die Wohnungen wieder dem freien Mietmarkt zu und die bestehenden Mieter*innen müssen mit Mietsteigerungen rechnen. Ebenfalls fehlen weitere Mitbestimmungsrechte bei Gestaltung der Wohnungen oder ggf. notwendigen Umbauten. Nach Auslauf der Bindungszeit stehen die Kommunen damit vor den gleichen Problemen.
  • Die Unterstützung von gemeinwohlorientierten Modelle scheitert bisher an zu hohen Grundstückspreisen, die sich an der maximal zu erzielenden Miete und damit Rendite an dem Ort orientieren. Eine groß angelegte Unterstützung der Kommunen zum Kauf von Grundstücken und Weiterverkauf an kooperative-, genossenschaftliche und gemeinwohlorientiere Akteure fehlt.

Fazit

Im Koalitionsvertrag sind zahlreiche Maßnahmen zur Eigentumsbildung und zur Förderung von Baumaßnahmen beschrieben. Die Förderung kommt im Großteil Immobilienunternehmen selbst oder mittleren und höheren Einkommen zu gute. Das derzeit größte Problem gerade für untere Einkommensgruppen ist, dass sich die Miete im Bestand erhöht und Menschen gezwungen werden, ihr soziales Umfeld zu verlassen. Diese Verdränungseffekte werden nicht begrenzt. Gewaltvolle Wohnungslosigkeit durch Abschiebungen und Zwangsräumungen bestehen auch weiterhin. Entscheidene Maßnahmen wie die Vergesellschaftung von Wohnungsunternehmen oder die Begrenzung von Bodenpreisen werden kategorisch ausgeschlossen oder nicht angegangen.

Die astronomische Steigerung der Mieten wie in Berlin, München, Stuttgart oder Hamburg könnte in Sachsen mit wirksamen Maßnahmen noch entgegengewirkt werden. Mit einem halbherzigen Versuch wie er aus diesen Koalitionsvertrag herauszulesen ist, werden wir es in einigen Jahren mit ähnlichen Zuständen wie in benannten Städten zu tun haben.

Es bleibt damit weiterhin notwendig, dass sich Mieter*innen untereinander kennen, vernetzen, sich gemeinsam gegen die Verdrängung aus Stadtteilen wehren und sich aktiv eine Stadt für Alle einfordern.

Das Bündnis MietenwahnsinnStoppen! wird die Umsetzung der festgehaltenen Punkte im Koalitionsvertrag weiterhin kritisch begleiten und am 28.03.2020 wieder einen Aktionstag unter dem Motto „MietenwahnsinnStoppen!“ in Dresden veranstalten.    

2 Gedanken zu „Bauen & Wohnen – Einordnung des Koalitationsvertrags zwischen CDU, SPD & Grüne“

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