Wie hast du den Gerichtsprozess erlebt?
Um zu verstehen, warum es zum Gerichtsprozess kam, gebe ich erstmal eine kleine Chronologie.
2018 wurde unser Haus verkauft (es war komplett bewohnt und alle Mieter*innen hatten unbefristete Mietverträge). Zwei Jahre später flatterte die Modernisierungsankündigung ins Haus.Klar war, dass an dem Haus was gemacht werden muss. Die Elektrik war u.a. ziemlich runter. Der alten Eigentümerin war Vieles einfach egal. Wir als Gemeinschaft kümmerten uns um Vieles selbst, hatten dadurch aber auch ziemlich viele Freiräume im Haus. (Die ich immer mehr schätze, vor allem jetzt. Mittlerweile wohne ich woanders und ein „falsch“ abgestelltes Fahrrad stellt hier bereits ein erhebliches Problem dar.)
Jedenfalls hatte die angekündigte Modernisierung nicht so richtig Hand und Fuß, die Elektrik bspw. spielte keine Rolle, vieles wurde nicht mitgedacht – vor allem wir als Bewohner*innen nicht.
Es ist so, zu einer Modernisierungsankündigung wird ein Schreiben geschickt, in welchem die Mieter*innen ihr Einverständnis geben (müssen). Es gibt nicht wirklich eine Wahlmöglichkeit. Allerdings versuchten wir es trotzdem. Setzten wir uns als Haus zusammen, sammelten unsere Einwände, stellten Fragen und machten auch Änderungsvorschläge – das alles einzeln und in Briefform. Manche gingen zum Mieterverein, andere suchten sich Anwält*innen zur Unterstützung. Da wir kein Verein oder Ähnliches waren, mussten alle Einwände von jeder Mietpartei selbst gestellt werden und auch Anwält*innen konnten nicht mehrere Wohnparteien zusammen vertreten. Als Hausgemeinschaft tauschten wir uns regelmäßig aus. Die Antwort auf unsere Schreiben war nicht wirklich eine Antwort, sondern die Androhung, wenn wir nicht unterschrieben, gäbe es rechtliche Konsequenzen. Einige unterschrieben daraufhin, was ich auch nachvollziehen kann – ohne Erfahrung weißt du nicht, was auf dich zukommen könnte – andere wiederum nicht. Die Folge war, dass alle die, welche nicht unterschrieben, vom neuen Eigentümer verklagt wurden.
Ja und so fand ich mich im Gerichtsprozess wieder. Der erste Prozess lief erstaunlich gut. Die Richterin nahm sich Zeit für die Einwände, die mein Anwalt und ich stellten. Ihr Ansinnen war es, dass wir mit dem Eigentümer zu einer außergerichtlichen Einigung kommen sollten. Nach dem Prozess trafen wir uns mit dem Anwalt der Gegenseite und dem Bauleiter in unserer Wohnung und versuchten über die Modernisierung zu verhandeln. Aber wie sich bereits abzeichnete, war der Eigentümer nicht wirklich daran interessiert, uns in irgendeiner Form miteinzubeziehen. Wir hatten nämlich eine außerordentlich geringe Miete, selbst nach der Modernisierung wäre diese weit unter dem Durchschnittsmietpreis geblieben. Das hätte sich natürlich wirtschaftlich in keinster Weise gelohnt. Der neue Eigentümer ist eine große und bekannte Immobilienfirma – vermutlich werden die Wohnungen zu Eigentumswohnungen umgewandelt. (Aus den u.a. 4-Raum-Wohnungen wurden 1-bis 2-Raum-Wohnungen.)
Es kam zu keiner Einigung – trotz vieler Ideen und Vorschläge. Überraschenderweise gewannen wir den Prozess und unseren Einwänden wurde seitens der Richterin recht gegeben. Der Eigentümer ging jedoch in Berufung. Halbes Jahr später, gleiche Problematik andere Richterin.Der zweite Prozess war kräftezehrend ohne Ende. Auch hier war die neue Richterin an einer außergerichtlichen Einigung interessiert. Gleichzeitig von den Einwänden meines Anwalts und mir nicht wirklich überzeugt. „Wir müssten auch an die Immobilienbesitzer denken, die ja auch etwas verdienen möchten.“ Weitere Anmerkungen in diese Richtung folgten.
Die Situation im Haus hatte sich zusätzlich verändert. Mehr als die Hälfte der Mietparteien waren ausgezogen. Es wurden Abfindungen gezahlt und um die noch wenigen bewohnten Wohnungen wurde kernsaniert. Das zehrte zusätzlich an den eigenen Nerven, ich gebe zu, dass ich das unterschätzt hatte, wie sehr es einen beansprucht auf einer Baustelle zu wohnen, bei der man zusätzlich nichts zu entscheiden hat – viele Informationen blieben auch auf der Strecke, jeder Tag brachte neue Überraschungen mit sich. Gekappte Internetleitungen, Baulärm im Home Office, unangekündigte Sandstrahlarbeiten im Keller – Feinstaub der sich durch die Löcher für die Steigleitungen überall verteilte etc. pp.
Wie bereits abzusehen kamen wir wieder nicht zu einer Einigung mit der Gegenseite. Das letzte Treffen mit der Richterin des 2. Prozesses war ein absurdes Schauspiel. Als vermeintlich störende Mieterin gab es wenig Chance. Den Prozess der zweiten Instanz verloren wir. Letztendlich bedeutete das, wir mussten die Modernisierung, so wie angekündigt, akzeptieren.
Allerdings ging es auch während des Prozesses nicht mehr nur um die Modernisierung an sich. Auch wurde uns eine Abfindung geboten. Die Richterin meinte, ich solle mich doch über den Betrag freuen. Für die Gesamtsituation hatte sie keine Sensibilität bzw. den sozialpolitischen Weitblick. Eben einfach kein Interesse daran. Das Problem bei den Abfindungen für mich ist, dass dir eine bestimmte Summe geboten wird, für deinen Wohnraum. Aber der Wohnungsmarkt sich dadurch auch nicht verändert. Und natürlich kannst du dir von dem Geld erstmal eine gute Zeit machen bzw. den Umzug bezahlen und für einen kurzen Zeitraum die neuen Mieten, aber überhaupt der Fakt, dass Ablösen gezahlt werden, bringt Hausgemeinschaften auseinander und führt zu Mietsteigerungen. Immobilienbesitzer*innen kaufen sich sozusagen ihr Haus frei, um dann exorbitanten Gewinn durch den freien Wohnraum zu erhalten. Die Mieten steigen prozentual an, da die Menschen, die in den Häusern mit geringer Miete wohnten, jetzt sich auf dem Wohnungsmarkt wiederfinden. Und gezwungen sind hohe Mieten zu zahlen. Überhaupt, dass es „Wohnungsmarkt“ heißt, macht mich schon wütend. Wo wohnen doch ein Grundrecht sein sollte und ich die freie Wahl haben sollte, in welchem Viertel ich leben möchte.
Traurig an der ganzen Geschichte ist, dass die Modernisierungsankündung ausgereicht hat, dass die neuen Eigentümer ihr Ziel erreicht haben, denn mittlerweile haben sie das Haus für sich. Sie mussten nicht wirklich viel dafür tun, mit der Modernisierungsankündigung wurden Unsicherheiten geschürt, den Mieter*innen wurde bisschen Geld angeboten und Zack – freie Wohnungen. Durch die zunehmenden Bauarbeiten im Haus wurde das Wohnen auch erschwert – irgendwie war es auch wie ein Sog. Dass wir den Prozess verloren, ist zwar nicht besonders motivierend, was ich allerdings anstrengender fand, war die schwierige Kommunikation während der Sanierung mit der Hausverwaltung bzw. dem Bauleiter und diese ganzen kleinen Dinge, die in ihrer Summe einfach nicht mehr aushaltbar waren. Es kamen immer mehr Sachen hinzu. All die Dinge, die man hörte von Horrorszenarien während Sanierungen, fanden auch bei uns statt. Aber man ist so sehr damit beschäftigt, damit klar zu kommen, dass da nicht viel Zeit und vor allem Kraft blieb, sich öffentlich dagegen zu wehren. Das würde ich auf alle Fälle anders machen.
Welche Unterstützung hättest Du Dir von der Stadt/von anderen Akteur:innen gewünscht?
Rückblickend würde ich es mehr öffentlich machen. An sich waren die Gerichtsprozesse öffentlich, ich war bei allen Prozessen alleine. Damals hatte ich keine Ahnung, was auf mich zukommt. Wenn es um dein zuhause geht, ist das mit erheblichem Druck verbunden. Das dachte ich, schaffe ich besser alleine auszuhalten. Gleichzeitig ist mit einem vollen Gerichtssaal und der Einbindung der Presse und der Öffentlichkeit der Support stärker, weil mehr Anteil genommen werden kann. Das Ziel wäre hierbei natürlich gewesen, dass der letzte Prozess anders verlaufen wäre. Bei dem zweiten Prozess im Sommer habe ich gemerkt, dass bei mir die Luft raus ist. Wären mehr Menschen involviert gewesen, hätten die persönlichen Ressourcen mehr aufgeteilt werden können.
Was ich mir von der Stadt gewünscht hätte? In unserem Fall mit der Buchenstraße, keine Ahnung. Das ist alles komplexer. Natürlich generell mehr kommunales Wohnen. Das Vorkaufsrecht für Bewohner*innen? Das Haus war in privater Hand – Einfluss konnten wir darauf nicht nehmen. Zwar trafen wir auch Überlegungen, es wieder zurück zu kaufen und waren auch im Kontakt mit der WoGe Dresden. In unserem Fall war das zu spät. Dem jetzigen Eigentümer ging es um Rendite. Einen Rückkauf mit Unterstützung der Stadt? Das wäre natürlich ein utopischer Traum gewesen. Auf jeden Fall sollte sie kreative Wohnkonzepte unterstützen, die die Möglichkeit bieten, solche Projekte umzusetzen.
Was hat Dir in dieser Zeit Kraft gegeben?
Kraft und Aufwind hat mir der eigene Glaube an eine Utopie des Wohnens gegeben. Und auch wenn es alles ziemlich mies gelaufen ist und die letzten Wochen auf der Baustelle in der Buchenstraße richtig herausfordernd waren, versuche ich daran festzuhalten.
Zusätzlich bin ich kurz vor dem 1. Gerichtsprozess zum Bündnis gekommen. Das kollektive Gefühl und der Support der Menschen im Bündnis gaben mir Rückhalt. Ich habe mich mit dem Problem nicht alleine gefühlt. Auch in der WG und als Haus haben wir uns gegenseitig unterstützt, waren aber am Ende auch sehr ausgebrannt.
Was ist Dein Fazit aus dieser Erfahrung im so wichtigen Lebensbereich des Wohnens?
Das Wohnen auf der Buchenstraße kam zum Teil meinem eigenen Wunsch und der Vorstellung vom gemeinschaftlichen Wohnen sehr nah. Es ist schon verrückt, dass die Menschen, die die meiste Zeit in den Häusern verbringen, kein Mitbestimmungsrecht haben. Immer mehr wünsche ich mir: „Die Häuser denen, die darin wohnen.“ Jetzt wo die Buchenstraße Vergangenheit ist, schaue ich natürlich in die Zukunft. Ich freue mich über jedes Projekt, was entsteht und Menschen, die sich zusammen Gedanken machen, wie gemeinschaftliches Wohnen realisiert werden kann. Gleichzeitig ist das allerdings auch mit erheblichen Kapazitäten verbunden, welche nicht jeder Mensch aufbringen kann. Wenn Mieter*innen mehr Rechte hätten und mehr Verantwortung gemeinsam übernehmen könnten und vielleicht auch müssten, wäre der gemeinschaftliche Zusammenhalt beim Wohnen gegeben. Die Idee der geringen Miete und des eigenen Einbringens in die Hausgemeinschaft, das als Konzept in Kombination mit kommunalem Wohnen, fände ich eine gute Idee.